Immer öfter stoßen Verbraucher*innen im Supermarkt auf Siegel, die prominent von Produktverpackungen pranken. Doch welche Bedeutung haben die unterschiedlichen Gütesiegel eigentlich? Eine Alternative, die sich bislang nur im Kaffeeanbau etabliert hat und verspricht, Produzent*innen zu stärken, ist der direkte Handel oder: Direct Trade.
Warum gibt es Gütesiegel für Kaffee?
Kaffee ist das meistgetrunkene Getränk Deutschlands. In jeder Sekunde werden hierzulande 2.300 Tassen von dem köstlichen Röstgetränk getrunken¹. Vom Discounter bis hin zum Barista ist das Getränk nicht nur stetiger Begleiter im Alltag, sondern auch Lifestyle- und Luxusprodukt. Die Wertschätzung, die Kaffeegenießer*innen ihrem braunen Gold zukommen lassen, geht jedoch auf der langen Wertschöpfungskette hin zum Kaffeebauern oftmals verloren. Vom Kaufpreis geht ein Großteil an Verkäufer*innen sowie die vielen Zwischenhändler*innen und Weiterverarbeiter, die zwischen der Kaffeeplantage und unseren vollen Tassen stehen. Im Schnitt kommen weniger als 8% des Endverbraucherpreises beim Kaffeebauern an. So kommt es, dass viele Kaffeebäuerinnen und -bauern unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten, ihre Kinder auf den Plantagen arbeiten müssen und ihre Familien von weniger als 1,25 US Dollar am Tag² leben.
Fair oder direkt?
Um die Situation für Kaffeebäuerinnen und -bauern zu verbessern, wurden verschiedene Gütesiegel und Zertifikate ins Leben gerufen. UTZ, Rainforest Alliance und das Fairtrade Programm haben schon früh damit begonnen, die Kleinbäuer*innen zu stärken. Fairtrade ist eines der bekanntesten Zertifikate. Mit dem Ansatz, Kleinbäuerinnen und -bauern zusammenzubringen, ihrer Stimme in Verhandlungen mit Händler*innen größeres Gewicht zu geben und auch feste Preise abseits schwankender Weltpreise zu garantieren, ist das Siegel bei Anbieter*innen wie Konsument*innen besonders beliebt.
Doch das Konzept des fairen Handels hat seine Grenzen³: Oftmals reichen etwa die angebotenen Preise nicht aus, um die hohen Qualitätsanforderungen an das Produkt umzusetzen und für hohe Mitgliedsbeiträge aufzukommen. Auch die Abhängigkeit der Bauern und Bäuerinnen vom Zertifizierungssystem wird dem fairen Handel vorgeworfen. Eine Alternative, die sich bislang nur im Kaffeeanbau etabliert hat und verspricht, Produzent*innen zu stärken, ist der direkte Handel oder Direct Trade.
Im Gegensatz zu anderen Zertifizierungen ist Direct Trade kein eingetragenes Gütesiegel. Stattdessen handelt es sich bei dem Handelsmodell um eine strenge Selbstverpflichtung. Und die lohnt sich für alle Parteien: die Röster, die Bauern und letztendlich auch die Konsument*innen, die hochwertigen Kaffee zu erschwinglichen Preisen erhalten.
Während die Fair-Trade-Zertifizierung Geld kostet, ist Direct Trade für Landwirte kostenlos und ermöglicht damit auch einen höheren Kaffeepreis als in einer Fair-Trade-Lieferkette. Um den Handel für alle Seiten einfacher und profitabler zu machen, setzt der direkte Handel auf langfristige Beziehungen zu Landwirt*innen. So werden weitere Investitionen, Preisvereinbarungen und der Austausch von Erfahrungen und Ideen möglich. Diese neue Dynamik ermöglicht es den Landwirten zudem, ihre Forderungen innerhalb der vorhanden Handelsbeziehung besser umzusetzen.
Durch den direkten Kauf von hochwertigen, handgefertigten Textilien unterstützt Ethnotek traditionelles Kunsthandwerk in 5 Ländern und sorgt für sichere Absatzmärkte bei den Produzent*innen. Die komplette Wertschöpfung, vom Design über die Produktion bis zum fertigen Produkt, erfolgt in der eigens gegründeten Manufaktur in Vietnam.
Direct Trade: Handel ohne Zwischenhändler
Wie der Begriff Direct Trade bereits erahnen lässt, werden bei diesem Konzept teure Zwischenhändler*innen komplett umgangen. Stattdessen arbeiten diese Handelsinitiativen direkt mit unabhängigen Kleinbäuerinnen, -bauern und Kooperativen vor Ort zusammen. Die Preise werden dabei direkt mit den Produzent*innen verhandelt und liegen nicht selten weit über denen des Fairtrade Siegels.
Damit das Konzept aufgeht, müssen die Kaffeeröster*innen Farmer*innen direkt vor Ort besuchen. Ein Gang über die Plantage hilft ihnen dabei, sich ein Bild über die Qualität des dort angebauten Kaffees zu machen und auf dieser Grundlage Preise festzulegen. Sind die Kaffeeröster*innen zufrieden, gehen sie eine direkte Partnerschaft mit dem Kaffeebauern oder der Kaffeebäuerin ein. Diese Partnerschaft gewährleistet nicht nur ein Einkommen weit über dem Weltmarktpreis, sondern garantiert auch eine sichere Einnahme über einen längeren Zeitraum hinweg. Anders als bei der konventionell komplexen Wertschöpfungskette des Kaffees, wissen die Kaffeeröster*innen so auch mit Sicherheit, wer bei einem Handelsabschluss wie viel verdient.
Direkter Handel für volle Transparenz
Direct Trade ermöglicht es den Einzelhändlern, nicht nur über die Kaffeequalität zu entscheiden, sondern auch darüber, welche Auswirkungen sie auf die Landwirte und ihre Umwelt haben möchten. Zudem gewährleistet der direkte Handel, dass alle Beteiligten gleichermaßen vom Handel mit Kaffee profitieren. Wohin das Geld für eine Packung Bohnen geht, kann beim direkten Handel völlig transparent für die Verbraucher*innen über eine Preisaufschlüsselung dargestellt werden.
Mit diesem Tool sehen Konsument*innen, wie sich der Einzelhandelspreis auf Landwirt*in, Logistik, Rösterei und Einzelhandel aufteilt, so dass diese eine bewusstere Kaufentscheidung treffen können. Dies ist insbesondere durch die nachvollziehbare Lieferkette möglich. Durch den engen, direkten Kontakt zwischen Rösterei und Plantage wissen Kund*innen genau, woher ihr Kaffee stammt und durch welche Hände er gereist ist. Gesicht, Name und sogar Kontakt mit den Produzent*innen des eigenen Kaffees sind bekannt - ziemlich cool, oder?
Direct Trade - eine zukunftsfähige Alternative für eine breite Produktpalette?
Das Konzept Direct Trade hat viele Vorteile: Landwirte in Entwicklungsländern haben durch langfristige Handelsbeziehungen eine gestärkte Verhandlungsposition und erhalten vergleichsweise hohe, stabile Preise ohne Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Kaffeeröstereien und Einzelhändler können sich über eine gleichbleibend hohe Qualität ihrer Bohnen freuen. Und Verbraucher*innen können bessere Kaufentscheidungen treffen, da sie einen transparenten Überblick über Lieferketten und Entlohnung erhalten.
Damit präsentiert sich der direkte Handel an vielen Stellen fairer als andere Konzepte, etwa das populäre Fairtrade Zertifikat. Umso verwunderlicher, dass sich Direct Trade bislang nur im Kaffeehandel etabliert hat. Es ist durchaus denkbar und auch wünschenswert, den Ansatz auf weitere Produkte aus dem globalen Süden auszuweiten. Besonders eignet sich der direkte Handel für landwirtschaftliche Produkte, bei denen nur wenige Zwischenschritte bei der Produktion erforderlich sind - etwa für Bananen, Schokolade, Tee oder Blumen. So kann auf teure Zwischenhändler*innen und Verarbeiter*innen verzichtet werden, die zwischen Landwirt*in und Konsument*in stehen.
Eine große Auswahl an fairen Produkten findest du bei uns im Shop. Zum Beispiel hier.
Quellen
1 https://www.saechsische.de/das-beliebteste-getraenk-der-deutschen-2346.html
2 https://www.roastmarket.de/magazin/fairtrade-vs-direct-trade/
3 https://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/fairetrade-kaffee